Bodensee-Heimat – und Trachtenverband feiert am Wochenende sein 100-jähriges Bestehen in Lindau
Die heimische Volkskultur stärken, das Brauchtum pflegen und lebendig halten und es an die nächste Generation weitergeben: Das ist seit 100 Jahren das Bestreben des Bodensee-Heimat- und Trachtenverbandes. Sein Jubiläum feiert er am kommenden Wochenende mit einem Festakt an seinem Gründungsort von 1921 – in Lindau.
Von Susi Donner
Schwäbische.de
Eigentlich wollte der Bodensee-Heimat – und Trachtenverband sein Hundertjähriges mit einem großen Jubiläums-Trachtenfest im Juni dieses Jahres auf der Lindauer Gartenschau feiern. Wegen der Corona-Pandemie musste jenes Fest abgesagt werden. Am Samstag, 6. November, feiert der Bodenseegau nun ersatzweise im Vereinsheim der „D’bayrischen Bodenseer Lindau“, die Gründungsmitglied des Dachverbands sind. Wegen der aktuellen Pandemielage gibt es nur einen Festakt mit geladenen Gästen.
Weil nun der Heimat- und Trachtenverein „D’bayrischen Bodenseer Lindau“ im kommenden Jahr sein eigenes 115-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumstrachtenfest am 26. Juni feiern möchte, laute der Plan „möglichst viel vom mit Herzblut und Zeitaufwand vorbereiteten und abwechslungsreichen Programm des Gaujubiläums zu übernehmen“, erzählt der Vorsitzende Alexander Bulach . Auf der Lindauer Insel sollen dann an unterschiedlichen Orten Bühnen aufgebaut werden, auf denen es Brauchtums- und Tanzvorführungen geben wird.
Zeitgemäß wie nie zuvor
„Sind denn Heimat- und Trachtenvereine überhaupt noch zeitgemäß?“, mag sich mancher fragen. „Sie sind es mehr denn je“, sagt Werner Halder , der Vorsitzende des Bodensee-Heimat- und Trachtenverbands. Die Tracht sei Ausdrucksform und Erkennungszeichen, aber die Philosophie, die dahinterstehe, reiche sehr viel tiefer. Die eigene Herkunft, das eigene Brauchtum, eigene Traditionen zu leben, zu feiern, zu pflegen, bedeute nicht die anderen abzulehnen – sondern ganz im Gegenteil.
„Wir sind sehr weltoffen und aufgeschlossen für andere Kulturen. Wir respektieren sie und sind neugierig auf sie. Wir haben auf dem ganzen Globus Freundschaften fürs Leben geschlossen, mit den Menschen anderer Kultur- und Brauchtumsvereine. Die Tracht steht für Heimat – und die ist kein Wohnort, sondern kann überall sein“, betont Halder und sagt, dass es viel leichter sei, andere Kulturen über alle Grenzen hinweg zu schätzen und zu respektieren, wenn man die eigenen Wurzeln kennt und liebt. Seine Stellvertreterin Helene Straub ergänzt „Zusammengehörigkeitsgefühl, Integration und Inklusion werden bei uns ganz selbstverständlich gelebt“.
Modernes Vereinsleben in historischem Gewand
In der Tracht spiegle sich Nachhaltigkeit. Sie sei nie eine kurzlebige Modeerscheinung gewesen – sie wurde und werde bis heute aus hochwertigen Stoffen liebevoll handwerklich hergestellt und soll lange halten. Sie war der Sonntagsstaat der Bürger und erzählte deren Geschichte.
An der Tracht konnte man sehen, woher jemand kam, welchem gesellsschaftlichen Stand er angehörte,
Silvia Halder
erklärt Silvia Halder, im Dachverband zuständig für die Gebirgstrachten. Es sei sogar vorgeschrieben gewesen, welche Tracht man zu tragen hatte. Ein armer Schlucker in einem Kaufmannsgewand – da war Ärger mit der Obrigkeit vorprogrammiert.
Wir tragen die Originaltrachten, aber wir sind kein wandelndes Museum,
Werner Halder
sagt ihr Mann Werner Halder. Denn im Bodensee-Heimat- und Trachtenverband und in seinen Mitgliedervereinen stehe das aktive und lebendige Vereinsleben im Mittelpunkt. Wanderungen, Hüttenaufenthalte, Kulturreisen quer durch Europa und darüber hinaus – und wo immer sie sich mit Menschen zusammenfinden, die ihre Liebe zur Heimat, zum Lied, zur Musik, zur Mundart und zum Volkstanz bekunden, sei die Tracht das bindende Element – die innigste Verbindung der Kulturen. „Man fühlt, geht, sitzt und benimmt sich anders in Tracht. Die Tracht muss ordentlich sein, und das Benehmen gesittet“, erzählt Silvia Halder.
Mit Laptop und Lederhos
Die Werte von Tradition und Brauchtum seien unverändert eine wichtige Währung. Sie bilden die Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens, selbst in einer Welt, die zunehmend digitalisiert funktioniere. Das haben die Trachtler während der Pandemie am eigenen Leib erlebt, als keine Treffen, Proben und Auftritte möglich waren
Da haben sich auch die „jung gebliebenen Alten“, wie Werner Halder sich und seine Mitstreiter im Vorstand nennt, in die Online-Medien hineingearbeitet und virtuelle Treffen organisiert. „Das ist ganz normal. Schon zu allen Zeiten ist Fortschritt weitergeführte Tradition gewesen.“ Darum haben sie dem Spruch „Treu dem guten alten Brauch – Sitt und Tracht der Alten wollen wir erhalten“, einen neuen hinzugefügt: „Mit Laptop und Lederhos.“
Laptop hin oder her: Wie wichtig der reelle Kontakt sei, habe die Pandemie deutlich offenbart: „Seit wir wieder tanzen dürfen, kommen wir alle mit noch mehr Freude, Begeisterung und Engagement denn je zu den Proben. Wir haben gesehen, wie sehr wir uns gefehlt haben“, erzählt Alexander Bulach.